Kreiszeitung 16. 02. 2013

 

Witwe eröffnet Dessousladen in Darmsheim



Das Sindelfinger Theater Szene 03 spielt seit gestern seine neue Inszenierung "Altweiberfrühling" im Theaterkeller.

von Anna J. Deylitz

 

Es geht um die Witwe Martha Jost, die ihren schlecht gehenden Gemischtwarenladen -
übrigens in Darmsheim - dicht gemacht hat und eigentlich nur noch ihrem Mann folgen will. Diane Marstboom füllt diese Figur mit sehr viel Leben. Der nun leer stehende Laden weckt Begehrlichkeiten: Sohn Walter Jost, Pfarrer des Ortes (Karsten Spitzer einmal mehr in einer Paraderolle), will ihn für die Bibelstunde und Bürgermeister Fritz Metzger (Daniel Bayer sehr schön als fieser und über Leichen gehender Karrierist) als lokale Parteizentrale. Sie einigen sich schnell und über Marthas Kopf hinweg.

 

Die jedoch  träumt immer noch von dem kleinen Dessousladen, den sie einst in Paris  auf-machen wollte. Warum nicht? Erklärt die vermeintlich welterfahrene Freundin  Lissy (Katrin von Hochmeister einmal mehr überzeugend) und lässt schon mal das  Firmenschild "Petit Paris" anfertigen.

 

Tatsächlich  entsteht ein Dessousladen, trotz der Intrigen der jungen Generation. Freundin
Frieda Ebinger (Ursula Trägner, blüht ganz schön auf) macht mit, um der  Tristesse des Seniorenstifts zu entkommen, Freundin Hanni (schön trampelig:  Anette Kadow) macht erst einmal mit 65 den Führerschein und widersetzt sich  gekonnt ihrem egomanischen Bürger-meistersohn. Woran die Damen nicht gedacht  haben? Darmsheim ist nicht gerade das perfekte Pflaster für einen Dessousladen,  der Laden bleibt leer. Gut dass Frieda den Computerkurs macht, mit Hilfe des  Internet kommt der Laden - nun mit Trachtendessous - so richtig in Schwung und  versorgt das halbe Dorf mit Arbeit.

 

Die Alten triumphieren

 

Lissy und  ihre Tochter Shirley (sehr nett: Vera Nielsen) müssen erst einmal Versäumtes
nachholen und nach Amerika reisen. Und der moralinsaure und wenig glücklich  verheiratete Pfarrer, der über andere wettert und heimlich eine Beziehung zu  Shirley unterhält, will sich nun wirklich scheiden lassen. Die Alten  triumphieren, die Jungen müssen sich dreinschicken. Dass zwischendrin ein  Sängertreffen, ein Diebstahl und eine Vereinsfahne eine wichtige Rolle spielen,  sei noch erwähnt, ebenso wie die hübschen Dessous und das funktionelle  Bühnenbild, sowie die perfekt funktionierende Technik (Tobias Lobmeyer).

 

Jürgen  Siehr hat das Stück nach der Filmvorlage der Schweizer Regisseurin Bettina
Oberli als alter Theaterhase so inszeniert, wie es sich gehört: einerseits mit  Volkstheater-komik und andererseits mit dem Stückchen Nachdenklichkeit, das die  Thematik gebietet. Die Frauenfront steht für Aufstand und späten Frühling, die  Männer, die hier schau-spielerisch so richtig die Sau rauslassen dürfen, für  einen letzten vergeblichen Versuch von jugendlichem Chauvinismus gegenüber  Frauen und Alten. Kurz: "Altweiberfrühling" ist ein leicht-lockeres  Vergnügen mit solidem moralischem Hintergrund für die ganze Familie.

 

Sindelfinger Zeitung, 23.02.2013

 

Mischung aus Witz und Tragik

 

Von unserem Mitarbeiter Matthias Staber

 

 

Ein Fachgeschäft mit sexy Dessous mitten in Darmsheim eröffnet die Protagonistin des Stücks „Altweiberfrühling“, mit dem das Ensemble Theater Szene 03 im Sindelfinger Theaterkeller unter der Regie von Jürgen Siehr Premiere gefeiert hat.

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(…) Wann ist es zu spät die eigenen Träume zu leben? Wann verliert ein Mensch die Kraft, der Fahrt aufs Abstellgleis zu trotzen? Wie funktioniert echte Freundschaft? All diese Fragen schnürt das Stück "Altweiber-frühling“ von Stefan Vögel in ein kompaktes Paket.

 

Das Sindelfinger Ensemble Theater Szene 03 bringt dieses Paket unter der Regie von Jürgen Siehr auf die Bühne und präsentiert damit eine vergnüg-liche Mischung aus Witz und Tragik, die Herz und Hirn des Zuschauers anspricht.

 

Vor allem Karsten Spitzer als Dorfpfarrer mit Doppelmoral und Daniel Bayer als erzkonservativer Bürgermeister bringen Schwung auf die Bühne. Wie Karsten Spitzer mit sich, seiner Geliebten (Vera Nielsen) und seiner aufmüpfigen Mutter (Diane Marstboom) ringt, macht Laune. Und Daniel Bayer wirft wieder einmal sein imposantes humoristisches Talent in die Waagschale, wenn er den Bürgermeister als lächerlichen Widerling gibt. (…)

 

Mit ihrem Spiel stehlen Karsten Spitzer und Daniel Bayer den eigentlichen Hauptpersonen des Stücks die Show – geht es doch darum, wie sich eine Gruppe Freundinnen (Diane Marstboom, Katrin von Hochmeister, Annette Kadow, Ursula Trägner) den Anfechtungen des Alters stellt.