Amadeus

KRZ vom 12. November 2018

 

Tolle Szene 03-Inszenierung von "Amadeus" im Sindelfinger Theaterkeller

Zwei Stunden vergehen wie im Flug

 

Zu Beginn des Stückes sind Wolfgang Amadeus Mozart (Femi Morina) und seine Ehefrau Constanze (Jenny Spitzer) noch ein lebensfrohes Pärchen, aber dank unzähliger Intrigen soll sich das bald ändern.

 

Von Achim Schwatzler

 

SINDELFINGEN. Das lang anhaltende Klatschen des Publikums, Standing Ovations und zwischendrin sogar Szenenapplaus zeigen: Regisseur Karsten Spitzer, der auch noch in selbstironischer Art in die Rolle von Kaiser Joseph II schlüpft, ist ein großer Wurf gelungen. Durchweg großartige schauspielerische Leistungen, eine packende Geschichte, stimmungsvolles Bühnenbild, schöne Kostüme, dazu die ständig präsente Musik des titelgebenden Mozart, die ein atmosphärisches Ambiente schafft - die gut zwei Stunden im Theaterkeller vergehen wie im Flug. (…)

 

Im Zentrum steht nicht etwa Wolfgang Amadeus Mozart, sondern dessen

Konkurrent Antonio Salieri. Der Vorhang öffnet sich und wir befinden uns in einem Sanatorienzimmer des Jahres 1823. Ein gealterter, gebrochener Salieri schreit im Wahn heraus, er sei Mozarts Mörder. Er wendet sich an die Zuschauer und erklärt diesen, dass er nicht ihre Vergebung will, sondern möchte, dass diese verstehen. Hat er den weitaus bekannteren Komponisten wirklich vergiftet?

 

(…) Wir blicken zurück in das Jahr 1781, als er seinem Rivalen zum ersten Mal begegnet. Mozart ist zu diesem Zeitpunkt ein infantiler, gar ordinärer 25-Jähriger, der bei den Menschen in der gehobenen Gesell-schaft mit seiner Art regelmäßig aneckt. Aber in musikalischer Hinsicht ist er ein Genie. Das erkennt jedoch lediglich Salieri. Er setzt sich zum Ziel, seinen Konkurrenten zu zerstören, damit dieser ihm nicht den Rang am Hofe abläuft.

 

"Mozart schafft aus Alltäglichkeit Legende - und ich aus der Legende nur

Alltäglichkeit", stellt Salieri an einer Stelle fest. Wie Schauspieler Daniel Bayer seiner Figur durch mehrere Facetten Tiefe verleiht, ist atem-beraubend. Einerseits kommt immer wieder Salieris Bewunderung für

Mozart durch, teilweise fast schon Mitleid, dass so wenige dessen immenses Können bemerken. Auf der anderen Seite kommentiert Bayer

genüsslich-süffisant Salieris fiese Intrigen. Mit jeder Szene wachsen spür-bar sein Neid und seine Missgunst, was so weit geht, dass er sogar voller Hass Gott den Krieg erklärt, der Salieri zwar mit Ruhm über-schüttet, jedoch mit einem deutlich kleineren Talent gesegnet hat. Der Einzige zu sein, der seine eigene Mittelmäßigkeit realisiert, zerfrisst Salieri innerlich, er wird immer verbitterter.

 

Der ein oder andere im Publikum ist sogar zu Tränen gerührt

 

Eine ebenso große Bandbreite an Emotionen zeigen in faszinierender Weise Femi Morina als Wolfgang Amadeus Mozart und Jenny Spitzer als dessen Frau Constanze. Anfangs sind sie noch das alberne Pärchen, lebensfroh, lustig, nie um einen Spaß verlegen. "Ich bin doch ein netter Kerl, warum mögen die mich nicht", fragt der Komponist und aus Morinas Augen sprechen Verzweiflung und Unverständnis. Neben ihm stehen in diesem Moment Chris Binder als Gräfin von Pergen und Giovanni Gagliano als Graf Rosenberg (beide schlüpfen gekonnt auch noch in die erheiternde Rolle der Venticelli, zwei Informanten Salieris) mit versteiner-ter Miene. Die snobistische Art des Hochadels haben die Darsteller wunderbar eingefangen.

 

Immer mehr zerfällt schließlich Mozarts gemeinsames Glück mit seiner

Gattin. Die fließenden Übergänge zwischen tiefer Traurigkeit und plötz-lichem Zorn in einer torpedierten Beziehung gelingen Femi Morina und

Jenny Spitzer perfekt. Als die beiden noch ein letztes Mal versuchen, ge-meinsam herumzublödeln, oder in Mozarts Sterbeszene rühren sie den einen oder anderem im Publikum sogar zu Tränen.

 

Ob Antonio Salieri nun wirklich Wolfgang Amadeus Mozart vergiftet hat, sei an dieser Stelle nicht verraten.

 

 

 

SZ/BZ vom 14.11.2018

 

Das Genie als Rotzlöffel

 

„Theater Szene 03“ spielt „Amadeus“ im Sindelfinger Theaterkeller.

 

Mit tollen schauspielerischen Leistungen und packenden Szenen unterhält die neue Produktion der Sindelfinger Theatergruppe „Theater Szene 03“ das Publikum.

 

Wer sich für die Musik von Wolfgang Amadeus Mozart interessiert, und wer den Film „Amadeus“ aus dem Jahr 1984 mit Vergnügen gesehen hat, wird um die neue Inszenierung nicht herumkommen. Denn was die Darsteller Daniel Bayer, Femi Morina, Giovanni Gagliano, Christine Binder sowie Jenny und Karsten Spitzer auf die Bühne des Sindelfinger Theaterkellers bringen, macht richtig viel Spaß.

 

Bemerkenswert ist vor allem die Leistung von Daniel Bayer. Dass Bayer über viel komisches Talent verfügt, hat er bereits in zahlreichen Inszenierungen unter Beweis gestellt. Und auch bei seiner Darstellung des Hofkomponisten Antonio Salieri kann Bayer sein Talent ausspielen, Figuren ironisch zu brechen, ohne sie lächerlich zu machen.

 

Denn obwohl die Zuschauer bei „Amadeus“ viel zum Schmunzeln haben, legt Daniel Bayer seinen Salieri nicht als Witzfigur an. Vielmehr bringt Bayer die ganze Tragik eines an seiner eigenen Mittelmäßigkeit leidenden Menschen auf die Bühne. Dieser Salieri rückt dem Zuschauer wesentlich näher als es jedes Genie je könnte – und genau das ist der Witz des Stücks, der durch diese schauspielerische Leistung hundertprozentig zum Tragen kommt.

 

Der tragische Mozart

 

Femi Morina rückt seinen Mozart in die Nähe der Figur, die Zuschauer aus dem bekannten Film aus dem Jahr 1984 kennen, in dem Tom Hulce diesen Part übernahm. Mozart als kichernder und ordinärer Kindskopf, dem nichts heilig ist, schon gar nicht das eigene Talent: So kommt der Komponist auch in Karsten Spitzers Inszenierung rüber. Und auch den tragischen Mozart der letzten Lebensjahre, der an der eigenen sozialen Inkompetenz scheitert, bringt Femi Morina packend auf die Bühne. (…)

 

Als Constanze Mozart setzt Jenny Spitzer jedoch Akzente, die auf eine alternative Lesart hindeuten können. Mentale Instabilität und mangelnde Sozialkompetenz gehören zum Genie dazu: Dass der Preis, der für diese toxische Legende bezahlt werden muss, nicht nur vom sogenannten Genie selbst, sondern von dessen gesamtem sozialen Umfeld bezahlt werden muss, deutet Jenny Spitzer mit ihrer Figur sehr schön an. Hier wird eine Frau zwischen zwei männlichen Egos zermahlen. (…)

 

Das gesamte Ensemble präsentiert eine Inszenierung, die unterhaltsam, emotional packend und komisch das Zusammenspiel zwischen großem Talent und persönlichem Scheitern auf die Bühne des Sindelfinger Theaterkellers bringt.

 

 

 

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