Balladenabend                                    von Elke Spitzer

 

 

 

Kreiszeitung     09. Dezember 2019


 

Goethe vs Schiller:

Vergnügliches Balladen-Duell im Sindelfinger Theaterkeller

 

 Von Susanne Kittelberger

 

SINDELFINGEN. Die deutsche Klassik scheint im Theaterkeller gerade Konjunktur zu haben. Nachdem Sabine Duffner und Ingo Sika zuletzt von Schiller inspirierte Texte „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ lasen, brachten Karsten Spitzer und Daniel Bayer vom Theater Szene 03 am Wochenende ihr Balladen-Duell „Goethe vs Schiller“ auf die Bühne. (...)

Elke und Karsten Spitzer sind beide große Fans der Literatur der deutschen Klassik. Über die Lektüre von Goethes Briefen stießen sie auf das Thema des Balladen-Wettstreits, den Goethe und Schiller im Jahre 1797 verabredeten. Beide Dichter nutzen dabei die poetische Gattung der Ballade, um darin ihre ästhetischen Ansichten zu veranschaulichen. Viele der damals entstandenen Werke gehören seither zum Kanon der deutschen Literatur und Generationen von Schülern haben sich im Deutschunterricht daran abgearbeitet.

Ein reiner Balladen-Abend erschien den Theatermachern zu trocken und so schrieb Elke Spitzer eine Rahmenhandlung, in deren Verlauf von jedem der Dichter fünf berühmte Werke vorgetragen wurden. Von Schiller die „Teilung der Erde“, „Die Bürgschaft“, „Die Glocke“, „Der Handschuh“ und „Der Ritter Toggenburg“. Von Goethe „Der Schatzgräber“, „Der Fischer“, „Pygmalion“, „Der Zauberlehrling und – last but not least – „Der Erlkönig“.

Die Handlung: In einer Gesprächsrunde sitzen sich der Vorsitzende des „Vereins zur Erhaltung und Pflege von Goethes Werk und Andenken Baden Württemberg Nord“ (Spitzer) und der Vorsitzende des „Schiller-Freundeskreises Sindelfingen“ (Bayer) gegenüber. Als Dritter im Bund wird der Literaturwissenschaftler und Schiller- und Goethe-Biograf Prof. Rüdiger Safranski, angekündigt. Doch der steckt im Stau . . .

Aus dem Smalltalk zwischen Spitzer und Bayer entwickelt sich schon bald ein handfester Streit, welcher der beiden Dichterfürsten denn nun der Größere sei. Man(n) einigt sich darauf, einen Balladen-Wettstreit auszufechten. Bald hat die junge Moderatorin (gespielt von Jenny Schwartz) alle Hände voll zu tun, die Streithähne auseinanderzuhalten. Beide Protagonisten identifizieren sich mit Leib und Seele mit „ihren“ Dichtern. Dabei gibt Spitzer den Goethekenner souverän als gut gekleideten, dem Leben zugewandten Bohemien. Bayer mimt den Schillerverehrer dagegen im karierten Hemd und mit verkniffenem Mund als biederen Bildungsbürger, Typus Oberstudienrat. „Ja, ich hab‘ sie drauf“, sagt er nicht ohne Stolz und beginnt sogleich Schillers „Glocke“ zu rezitieren. Nur das Eingreifen des entnervten Goethe-Spezialisten und die einsetzende Pause erspart es dem Publikum, das Werk in voller Länge aussitzen zu müssen.

Für die Schauspieler stellten die auswendig vorgetragenen Texte eine große Herausforderung dar. Das wussten vor allem die Älteren im Publikum zu schätzen, die in der Schule selbst noch Balladen auswendig lernen mussten. „Die ersten beiden Strophen gehen bei mir immer noch, aber dann ist Schluss“, gab eine Zuschauerin unumwunden zu. Spitzer und Bayer schafften das scheinbar mühelos. Auch dass sie mit viel Spaß bei der Sache waren, war der Aufführung anzumerken. Dabei gelang es ihnen, bei ihrem Vortrag nicht nur Spannung aufzubauen, sondern auch Schönheit, Tiefe und Macht der Sprache zu zelebrieren. Humoristischer Höhepunkt war die Darbietung von Goethes „Zauberlehrling“. Die zog den zuhörenden Schillerverehrer so in den Bann, dass er im wahrsten Wortsinn verzaubert wurde und in die Rolle des Besens schlüpfen musste.

Auch zwischen ihren Darbietungen stichelten und frotzelten die Protagonisten, was das Zeug hielt, ergingen sich in „inhaltlichen Mängeln“ oder versuchten die Leistung des anderen schlecht zu reden. Und während sich der eine darüber lustig machte, dass Schiller „so sehr geschwäbelt“ habe, ließ sich der andere in seiner Retourkutsche herablassend über Goethes „Hessengebabbel“ aus.

Zu guter Letzt endete das Duell aber doch versöhnlich: „Goethe war der größte deutsche Dichter – aber Schiller auch“. Ein salomonisches Urteil, dem sich das Publikum, das via Akklamation dazu aufgerufen war, die Balladen zu bewerten, gerne anschloss. Zum Schluss gab es noch Schillers „Ode an die Freude“ – zum Mitsingen!