Die Zimmerschlacht

 

Übungsstück für ein Ehepaar  von Martin Walser

 

Eine Gemeinschaftsproduktion mit dem 

TheaterEnsemble Sindelfingen

 

Kreiszeitung vom 18. 04. 2018

 

Kampf der Geschlechter bis aufs Blut

 

Sabine Duffner und Karsten Spitzer spielen

"Die Zimmerschlacht" von Martin Walser

 

Von Anne Abelein

 

SINDELFINGEN. Sie hassen und sie lieben sich – in Martin Walsers „Die Zimmerschlacht“ geht es hoch her. Vor fünf Jahren sind Karsten Spitzer und Sabine Duffner auf die Idee verfallen, Walsers Zwei-PersonenStück auf die Bühne zu bringen. Nun haben sie das Vorhaben in die Tat umgesetzt – unter der souveränen Regie von Jürgen von Bülow. Bei der Premiere liefen die beiden Schauspieler vom Theaterensemble Sindelfingen und Theater Szene03 im Theaterkeller zur Hochform auf. Dr. Felix und Trude Fürst belauern sich wie zwei eingesperrte Tiere in ihrem Wohnzimmer. Karsten Spitzer in der Rolle des bodenständigen Erdkundelehrers, der aus seinem Eheleben ausbrechen will, aber Ver- änderung scheut. Sabine Duffner als frustrierte Hausfrau, die von einem leidenschaftlichen Liebesleben träumt, doch dieses nicht umsetzt. Nun finden sich die verkopften Ehepartner also von ihren Bücherregalen eingekreist wieder – zwischen Schwarzweiß-Kulissen, mit denen das Ensemble die bürgerliche Hölle stimmig bebildert. Eigentlich wollten sie ja an diesem Abend ausgehen. Doch Felix möchte die Einladung seines Freunds Benno boykottieren. Der Grund: dessen neue, junge Gefährtin. Die alte hat Benno mit einem Reihenhaus abgespeist. Hier ist schon zu erahnen, dass Felix eigentlich ebenfalls nach einer Jüngeren trachtet, aber vorerst mimt er den Moralapostel. Karsten Spitzer gibt den Erdkundelehrer prinzipientreu und rigoros. Die anspruchsvolle Ehefrau (Sabine Duffner vorwurfsvoll bis desillusioniert) hat auf einen unterhaltsamen Abend mit Freunden gehofft und bleibt nun widerwillig mit Felix zu Hause. Nun wäre eigentlich Gelegenheit für ein Schäferstündchen, aber die erotische Stimmung will sich trotz Anregungen aus dem Kamasutra, reichlich Alkohol und Musik nicht einstellen. Stattdessen geraten die beiden in Streit. Felix inszeniert vergeblich Erotik, Trude fordert mehr Männlichkeit ein, aber im Widerspruch dazu auch mehr Authentizität. Agil wechseln Duffner und Spitzer zwischen bedrohlichem Flüstern, überdeutlich artikulierten, hinterlistigen Gemeinheiten und plötzlichen Schreiattacken. Spitzer macht sich mit großen Gesten Luft, Duffner wendet sich beleidigt ab.

(...)

Spitzer und Duffner wollen in Zukunft gern erneut in der Zwei-Personen-Konstellation antreten. „Wir haben Blut geleckt“, verkünden sie. All die Ehetragödien in der Dramengeschichte und die Beziehungen mit Abhängigkeiten – für Spitzer und Duffner erweisen sie sich als ein Glücksfall. In der „Zimmerschlacht“ demontieren sie die Ehe der Fürsts nach Kräften, missverstehen sich absichtlich, ersinnen genüsslich Gemeinheiten und konfrontieren den Partner schließlich schonungslos mit dessen Fehlern. Trotzdem scheint durch die widerborstige Fassade und die bissige Sprache immer wieder die Liebe durch. Die grotesken Situationen reizen das Publikum zum Lachen, auch wenn es manchmal im Halse steckenbleibt

 

 

 

SZ/BZ vom 19. 04. 2018

 

Statt Eifersucht nur der blanke Neid

 

Von Matthias Staber

 

Die Ehe als selbst gezimmerte Hölle führt die neue Produktion von Theaterensemble Sindelfingen und Theater Szene 03 vor. In dem Stück von Martin Walser geht ein von Sabine Duffner und Karsten Spitzer gespieltes Ehepaar 70 Minuten lang einander dermaßen schonungslos an den Kragen, dass der Zuschauer bald nicht mehr weiß, ob er lachen oder beschämt den Blick senken soll.

Immer schön ehrlich bleiben“, sagt der Erdkundelehrer Dr. Felix Fürst (Karsten Spitzer) verzweifelt: „Ich weiß nicht, ob wir

diesen Abend überleben.“ Denn Ehrlichkeit ist nicht das Fundament, auf dem Felix und dessen Ehefrau Trude (Sabine Duffner) bislang ihre Ehe gelebt haben.

Wenn „Die zwei Kinder sieht man dir gar nicht an“ das höchste der möglichen Komplimente darstellt, und „Ich darf dich nicht

mal merken lassen, dass du nichts zählst“ die größtmögliche Rücksichtnahme, dann braucht es nicht viel, um diese Ehe kippen

zu lassen. Eine jüngere Frau zum Beispiel.

 

Grausamer Versuch

 

Nicht Felix hat sich allerdings eine 24-Jährige angelacht, „mit Brüsten zum Anbellen“, sondern dessen Freund Benno. Nicht Eifersucht spielt hier die tragende Rolle beim Zerstören einer Lebenslüge, sondern der blanke Neid. Was sich der Eine traut, entgegen aller gesellschaftlichen Konventionen, erschüttert das Selbstbild der Anderen. Umso grausamer gerät der Versuch, gesellschaftliche Konventionen und Erwartungen ins Recht zu setzten. Grausam gegen die Mitmenschen, vor allem aber gegen sich selbst: Das ist der Glutkern von „Die Zimmerschlacht“.

In nur rund 70 Minuten arbeiten Sabine Duffner und Karsten Spitzer unter der Regie von Jürgen von Bülow diesen Glutkern

heraus. Überflüssiges haben Ensemble und Regie aus dem Text von Martin Walser gestrichen und bringen dieses „Übungsstück
für Ehepaare“ damit dermaßen verdichtet auf die Bühne, dass dem Zuschauer bisweilen schwindelig wird angesichts der Rasanz dieses Schlagabtauschs. 

Durch mehrere Stimmungslagen arbeitet sich dieses Ehepaar und lotet so alle Tiefen und Fallstricke nicht funktionaler Kommuni-kation aus. Verdruckst, verlogen, überschwänglich, längst verblühte sexuelle Begierde vortäuschend oder grausam offen
und ehrlich: Wofür andere Ehepaare zwei Wochen Klub-Urlaub brauchen, bekommt dieses Spießer-Ehepaar in etwas über einer
Stunde hin. Witzig kommt dabei manches auf die Bühne, doch je nach Grad der eigenen Selbsterkenntnis dürfte so manchem
Zuschauer auch das eine oder andere Glucksen im Hals stecken bleiben. (...)

Diese Zimmerschlacht muss man gesehen haben: Wie hier vorgeführt wird, wie toxisch gesellschaftliche Erwartungen
für beide Geschlechter wirken können, ist hochaktuell.