Kreiszeitung, 03.Nov. 2012

 

„Es war die Lerche“ Anna J. Deylitz

Sindelfingen  –   Was wäre wenn, so beginnt so manche Geschichte.   Der Satiriker Ephraim Kishon stellt sich die Frage, was geschehen wäre, wenn das  berühmteste  Liebespaar  der  Literaturgeschichte:  Romeo  und  Julia weiter gelebt hätte.  Und  macht  daraus  die  heitere Tragödie  „Es war die Lerche“. Theater Szene 03  spielt das Stück im Theaterkeller Sindelfingen. 

Ein biederes älteres Ehepaar wacht in einer ziemlich ärmlichen Wohnung auf und es beginnt der tägliche Wahnsinn. Er sucht seine Socken, von denen er Nachtens eine um den Kopf gebunden hatte und kuschelt mit seiner geliebten Wärmflasche namens Lisa, sie zetert und weist ihn ab, wenn er sie nur anfasst. Die ungeratene Tochter Lucretia, ein Punk, ist mit ihren 14 Jahren nachts um 4 Uhr heimgekommen, sie braucht noch Ruhe. Er kaut Rettich, nörgelt über den Kaffee und übt schon einmal ein paar Ballettfiguren, denn er schlägt sich als Tanzlehrer durchs Leben. Sie zieht sich die Lockenwickler aus den Haaren. Sie nennt ihn Momo, das ist der verbliebene Rest von Zärtlichkeit, den sie, die Julia, ihrem Romeo noch entgegenbringt. Sie sind sich inzwischen herzlich zuwider und beide fragen sich, was wohl geschehen wäre, wenn sie, die Julia damals die Augen einen Moment später aufgemacht hätte, damals, vor fast 30 Jahren, als sie den Schlaftrunk von Pater Lorenzo genommen hatte. Er hätte sich vor Kummer ebenfalls umgebracht und es wäre ihnen diese Ehequal erspart geblieben.

Es geht um nicht vorhandenes Geld, um Erbschaften, um nicht vorhandenes Personal, um nicht vorhandene Zuneigung, er intrigiert mit der alten Amme Julias und sie mit ihrem Pater Lorenzo, dem sie vergeblich und in Beichtform verkleidet ihr Leid klagt. Kurz, in dieser Familie herrscht mehr als der normale Wahnsinn!

Shakespeare? Der lässt es nicht mit dem Umdrehen im Grabe bewenden, hier muss er einschreiten um Schlimmeres zu verhüten. Mit schöner Schlegel-Tieck-Sprache und in leicht gestelzter Anmutung will er sich einmischen, will sich sein schönes Stück nicht kaputt machen lassen. Leider ist er aber den moderneren Zeiten nicht ganz gewachsen, will umschreiben, wirft aber seine eigenen Stücke durcheinander und geht schließlich, mehr ganz als halb gezogen, mit der Punktochter durch.

Kurz, es ist etwas los auf der Bühne des Theaterkellers. Unter der flotten Regie von Ursula Trägner fügen sich Stück und Agierende wunderbar zusammen, auch in den eingefügten Couplets, die überhaupt nicht aufgesetzt wirken. Den in die Jahre gekommenen Romeo gibt Daniel Bayer überzeugend, spritzig, witzig; ebenso gekonnt: sein trotteliger Pater Lorenzo. Karin von Hochmeister ist eine überaus glaubwürdig reizbare, frustrierte Julia, der man ihren ehemaligen Reiz sofort abkauft. Annette Kadow als Punk und Amme: sehr präsent und habhaft. Eine reizende Shakespeare-Studie liefert Daniel Neumann, in eine falsche Zeit gefallen, irgendwie verloren und gerade deshalb liebenswert. Eine schöne, runde, vergnügliche aber auch zum Nachdenken anregende Aufführung.

Weitere Aufführungen: am 3., 4., 8., 9., 15., 16., 17., 18.11. Sonntags um 18:00 Uhr, sonst um 20:00 Uhr. Vorverkauf im I-Punkt Sindelfingen Tel. 07031-94-325

 

 

Sindelfinger Zeitung

 

Shakespeare steigt aus dem Grab

 

 

Das Theater Szene 03 spielt Ephrahim Kishons Stück

„Es war die Lerche“ im Theaterkeller.

 

Von Matthias Staber

 

(…)

Im Ehealltag angekommen, gehen Romeo
Montague (Daniel Bayer) und Julia Monta-
gue-Capulet (Katrin von Hochmeister) ein-
ander tüchtig auf die Nerven anstatt sich
anzuschmachten, wie es der Shakespeare-

Leser gewöhnt ist. Um die Ehehölle kom-
plett zu machen, sind die beiden mit ei-
nem renitenten Teenager gesegnet (Annette
Kadow), dessen pubertäre Emo-Allüren
dem Uberdruss am Ehelos die nötige schale
Würze gibt.

Humoristisches Kapital

Das humoristische Kapital, das die Dar-
steller aus dieser Versuchsanordnung zu
schlagen wissen, ist groß: Wie Daniel Bayer
und Katrin von Hochmeister einander an-
giften, funktioniert über weite Strecken
prächtig und kommt witzig rüber. Auch An-
nette Kadow wirft tüchtig Spaß in die Waag-
schale. (…)

Neben dem genüsslichen Ausloten einer
disfunktionalen Ehe präsentiert sich das Ne-
beneinander verschiedener Stilhöhen als
die zweite humoristische Strategie von
Stück und Inszenierung. Sie kommt zum
Tragen, sobald Daniel Neumann als Shake-
speare, der ob des unharmonischen Geba-
rens von Romeo und Julia dem Grab ent-
steigt; ins Geschehen eingreift. Fortan arbei-
ten sich das Alltagsdeutsch des Eheknastes
und ein verstaubt-klassisch anmutendes
Dichter-Deutsch aneinander ab, gewürzt
mit Originalzitaten aus der Schlegel-Tieck-
Übersetzung diverser Shakespeare-Stücke.

Auch das funktioniert über weite Strecken
formidabel. (…) Unterm Strich macht aber 

"Es war die Lerche" einen Riesenspaß.