Rose & Walsh

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SZ/BZ

Kultur Lokal vom 23.02.2016

Sindelfingen: Theater Szene 03 präsentiert Neil Simons Rose & Walsh im Theaterkeller

Kein Glück für die

Ewigkeit

Eine berührende Liebesgeschichte, die über den Tod hinaus reicht, präsentiert die Sindelfinger Bühne Theater Szene 03 mit dem Stück Rose & Walsh von Neil Simon unter der Regie von Ursula Trägner. (...) Die erste Produktion der Theater Szene 03 unter der Leitung von Karsten Spitzer präsentiert sich als stimmiges Theatererlebnis, das Herz und Hirn anspricht.

Der Sex mit Toten ist nicht halb so gut, wie man mir weis machen wollte, fasst die Schriftstellerin Rose (Ursula Trägner) ihr aktuelles Sexualleben zusammen. Vor fünf Jahren ist der alternden Intellektuellen ihr Partner Walsh (Karsten Spitzer), ebenfalls Schriftsteller, weggestorben, mit dem sie eine so intensiv erfüllende wie emotional destruktive Liebesbeziehung pflegte.

Und noch immer pflegt: Rose lebt so, als sei ihr Liebespartner niemals an einem Herzinfarkt auf der Terrasse gestorben. Sie führt intensive Gespräche mit Walsh, die von einer bisweilen derben Leidenschaft künden: Wir könnten wenigstens so tun, als ob wir vögeln. Dass diese Gespräche nur in ihrem Kopf stattfinden, stört Rose nicht, im Gegenteil: Sein Nachleben ist mein bestes Werk, interpretiert Rose ihre geistige Verfassung als künstlerischen Schöpfungsakt.

Der Zuschauer im Sindelfinger Theaterkeller wird Zeuge dieser Gespräche mit einem Toten. Denn mit Karsten Spitzer tritt dieses Produkt der Einbildung einer Trinkerin leibhaftig auf die Bühne: Der Zuschauer darf gleichsam in den Kopf von Rose hineinschauen, so der grundsätzliche Kniff des Stücks Rose & Walsh.

Die emotionale Dramaturgie, mit der das Stück und die Inszenierung von Ursula Trägner diesen Kniff präsentiert, kann überzeugen. Was sich als weitere Inkarnation des Themenkomplexes Liebe über den Tod hinaus und mithin als kitschig ankündigt, entpuppt sich in den bisweilen amüsant schnodderig servierten Dialogen rasch als wesentlich vielschichtiger und interessanter.

Denn die Beziehung zweier Menschen durchmisst das Stück eben nicht als reines Glück für die Ewigkeit. Stattdessen wird eine intensive emotionale Bindung mit all ihren Schattenseiten präsentiert. In der Liebe geht es immer auch um Kontrolle gegen Freiheit, Distanz gegen Nähe, Herrschaft gegen Respekt, Leidenschaft gegen Selbstaufgabe. Und es gibt immer auch Verletzungen, die Narben auf der Seele hinterlassen: Davon erzählen die meist flott inszenierten Dialoge von Rose & Walsh.  (...) 

Unterm Strich präsentiert sich die erste Produktion der Theater Szene 03, nachdem Karsten Spitzer die Leitung der Bühne von Jürgen Siehr übernommen hat, als empfehlenswerte Produktion, die das wichtigste Merkmal dieser Bühne mitbringt, nämlich Herz und Hirn gleichermaßen anzusprechen. Und Ursula Trägner stellt unter Beweis, dass sie sowohl als Darstellerin als auch als Regisseurin zu überzeugen weiß. Außerdem spielen Laura Pletzer und Alexander Wiedmann, die zum ersten Mal für die Theater Szene 03 in Sindelfingen auf der Bühne stehen.


 

 

 

 

Kreiszeitung  23. 02. 2016

 

Geist sucht Ghostwriter

 

Gelungene Inszenierung mit neuem Leiter

 

VON ANNA J. DEYLITZ

SINDELFINGEN. Das Theater Szene 03 hat sich
- unter neuer Leitung - ein jüngeres Stück
der US-amerikanischen Boulevardlegende
Neil
Simon vorgenommen. "Rose und
Walsh" heißt es ganz unprätentiös und ist
doch ein bemerkenswertes, nachdenklich
machendes und erfrischend anderes Stück.

Es ist die erste Inszenierung der Szene 03
mit Karsten Spitzer als Theaterleiter. Er ist
vergangenes Jahr in die Fußstapfen von Jür-
gen Siehr getreten (wir berichteten). Der
hatte die Messlatte ziemlich hoch gelegt. Mit
Spitzer - so viel ist schon sichtbar - hat er
den Richtigen zum Nachfolger gemacht.

Nun zum Stück: Rose Reiner ist Schrift·
stellerin; geehrt mit PuIitzerpreisen und
immer noch aktiv, aber mit dem Schreiben
klappt es nicht mehr so richtig. Sie lebt seit
Jahren, in inniger Liebe verbunden, mit
Krimi-Autor Walsh zusammen. Ein wahr-
haft glückliches Paar, sie streiten sich, sie

lieben sich - nur, dass Walsh nun schon seit
fünf Jahren tot ist. Für Rose aber lebt er. Sie
unterhält sich mit ihm, holt sich Rat, streitet
wie eh und je.

Sie weiß, dass man so etwas eine Obses-
sion nennt, dass Walsh nicht mehr lebt,
wundert sich auch darüber, dass es müh-
samer wird, Walsh zu sich zu rufen, aber für
sie ist er lebendig. Ursula Trägner - als Dar-
stellerin und Regisseurin im Doppeleinsatz-
gibt dieser Rolle Leben, macht sie plausibel
und selbstverständlich, lebt sie.

Walsh, überzeugend und eindringlich ver-
körpert von Karsten Spitzer, erscheint so lebendig,

wie Rose ihn sich denkt, ist aber bereit, sich

aus Roses Leben zurückzuziehen.

Vorher aber muss Roses finanzielle

Situation aufgebessert werden. Walsh hat
die Idee, seinen unvollendeten Krimi, der
noch in Roses Besitz ist, durch einen fähigen
Autoren vollenden zu lassen.

Er hat da auch jemanden im Auge. Roses
Assistentin soll den herbeischaffen. Diese
Assistentin, die im Hause Roses lebt, hat
sich an die Gegenwart von Walsh gewöhnt,
 

sie weiß, wie er denkt und was er tut, je-

weils aus dem für sie vernehmbaren Ge-
sprächsteil von Rose. Sie kann Walsh weder
sehen noch hören, akzeptiert aber seine
Gegenwart aus Zuneigung
zu Rose. (…)

Eine schwierige Rolle, die Laura Pletzer
brillant meistert. Das Experiment
mit dem
Ghostwriter Clancy, gut
gespielt: von Alex-

ander Wiedmann, scheitert. Rose ist nicht in
der Lage, lediglich als Sprachrohr von
Walsh zu fungieren. Aber Clancy hat da eine
andere Idee, die Rose aus der finanziellen
Notlage befreit und ihn wieder an sich selbst
glauben lässt. Zudem finden Arlene und

Clancy zueinander, werden ein Paar. Und
Rose und Walsh? Sie bleiben ein Paar, end-
gültig, wenn auch nicht ganz so wie bisher.

Straffe Regie vermeidet jeden Kitsch

Das könnte alles sehr kitschig werden,
wenn nicht Ursula Trägners Regie straff und
konsequent jede Sentimentalität und Lar-
moyanz vermeidet. Die
Dialoge sind ge-
schliffen, wie bei Neil Simon üblich, und es
darf auch gelacht werden - zum Beispiel
wenn Rose berichtet, dass
sie einen Fall
kenne,
in dem sich die Gattin nach 41 Jah-
ren einer solchen Obsession von ihrem ja

 längst verstorbenen Gatten scheiden lassen

wollte.                                                

 

Die Handlung läuft zügig und konsequent.

Die sparsam verwendete Musik ist äußerst

stimmig, die Technik läuft reibungslos.

Kurz, das ist ein Theaterabend, den man sich

gönnen sollte.     .